Witthüser
Westrupp - Witthüser&Westrupp - Lieder von
Vampiren, Nonnen, Tote, Rolf Ulrich Kauiser, etc.
Der Beginn von etwas Neuem
Ich
bin dahin und schlaf den Todesschlummer
ich, der so teuer ich hier auf Erden war
hier lieg ich nun befreit von Sorg und Kummer
im weißen Hemde auf der Totenbahr.
Mein
Haupt - geziert von einem grünen Kranze
mein Haar wallt an der Brust herab
so geschmückt im myrtenreichen Glanze
senkt man mich bald ins morsche kühle Grab.
Da
stehn sie nun, die Totengräber
oh schaut mich nicht so grässlich an
erstarrt sind alle meine Glieder
vollendet hat sich meine Lebensbahn.
Was
tut ihr nun - mich überfällt ein Grauen
oh schließt den Sarg doch noch nicht zu
lasst einen Augenblick euch noch beschauen
dann tragt mich hin zur ewig stillen Ruh´.
Gehab dich wohl, du holde Schöne
mit großem Schmerz zieh´ ich dahin
nehmt diese heiße wehmutsvolle Träne
und diesen Kuss der ewigen Treue hin.
Gleich schlummere ich im Erdenschoß hiernieden
bis mich dereinst der große Posaunenschall
aus meinem Grabe ruft zum ewigen Frieden
hinauf ins ewig blaue Frühlingstal.
Da
werde ich dich wiederfinden
dort unter der Millionen-Engelschar
dort wird mein Geist mit deinem sich verbinden
dort vor des Meisters heiligen Altar.
Dort
werde ich Dich wieder erkennen
du wirst dann unzertrennlich mein
dort wird der Tod uns nicht mehr trennen
dort werden wir stets beisammen sein.
"Ich
bin dahin" der W&W-LP "Lieder von Vampiren, Nonnen und Toten
Text u. Musik: Witthüser/Westrupp
usikalisch
finde ich mich in einem Vakuum wieder: meine Skiffle-Band „The Night-Revellers“
hat sich schon vor Urzeiten wegen Arbeitsmangels aufgelöst, im
Posaunenchor bin ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr aktiv, auch der
Kantorei habe ich nach meinem Stimmbruch Ade gesagt und im Schulorchester ist aufgrund meines Alters mittlerweile auch kein Platz
mehr frei. Ich spiele zwar von Zeit zu Zeit Tuba in der
Universitäts-Jazzband der Uni Bochum, aber ich bin verzweifelt auf der
Suche nach einer neuen musikalischen Herausforderung.
Da Bernhard mit seinen Songs - er hat mittlerweile das Prädikat
"Protestsänger des Ruhrgebiets" angehängt bekommen - auch
nicht mehr so richtig glücklich ist ("ich spiel vor Kumpels und hab noch nie im
Leben richtig malocht: die lachen sich ja kaputt über mich") und
wir des Öfteren zusammen musizieren, entwickelt sich mit der Zeit aus diesem Zusammenspiel die Idee, alte Bänkellieder, Vampirtexte,
Trauer- und Totengedichte, Moritaten und Lyrik aus alten Büchern, die wir
in dieser Zeit lesen, zu vertonen: Heine, Novalis, von Salis, Hölderlin,
Böttiger, Paracelsus, Brösel & Co. Mit Gitarre und Ukulele packen wir die
ersten Texte in ein entsprechendes musikalische Gewand, und es entsteht eine eigen- und einzigartige Mischung aus
klerikalem Protestgesang, klassischer Gitarrenmusik mit traurigen
Einschüben und filigranen Untermalungen. Bernhards Gitarrenfertigkeiten kommen bei dieser
Art von Musik eindrucksvoll zur Geltung und bilden einen
wunderbaren Teppich, auf dem ich meine Posaunen-, Flöten und Trompetentöne
zum Klingen bringen kann. Zusammen mit der dominanten Stimme von
Bernhard und gestützt von meinem klerikalen Organ erzeugten
wir auch gesangsmäßig eine einmalig eigentümliche Stimmung, die dem
Zuhörer genügend Raum für eigene
Gedanken und Interpretationen lässt. Ich baue nach und nach weitere Instrumente wie
Triangel, dicke Zing, Xylophon, Windspiel, Waschbrett und was so alles in den Räumen
herum liegt und irgendwie Geräusche und Musik erzeugt, in unsere
Kompositionen ein. Oft meditieren wir nächtelang über einem Thema,
lassen die Bandmaschine mitlaufen und entscheiden später über die
Instrumentierung.
.
Ein Film über die Anfänge von Witthüser &
Westrupp,
mit einigen Liedern aus ihrem 1. Programm:
"Wir möchten dieses Lied noch singen"
und ihrem Smash-Hit
"Dracula"
ür die Textsuche ist zudem sehr hilfreich, dass sich ganz in unserer
Nähe die WAZ-Lokalredaktion befindet mit der Stammbesetzung Thomas
Rother, Ingo Guttenberger, Andreas Hartung als Redakteure und
Jochem
Schumann als freiem Mitarbeiter. Hier gehen wir aus und ein und gehören
quasi zum Inventar - sehr zum Leidwesen der Abteilungssekretärin Fr.
Justen. Thomas Rother ist - wie schon gesagt - Bernhards Haus- & Hoftexter
und schreibt ihm neben den Bergmannstexten auch z.B. das "Lied vom Bankräuber", das
"Kinderlied für Erwachsene" (siehe Film im Kapitel
"Viehofer Str.") und vieles andere mehr - und ist somit an
Bernhards Ruf als "Protestsänger des Ruhrgebiets" maßgeblich
beteiligt. Für uns schreibt er nun unter Anderem "Wenn das
Karakulschaf blökt", das wunderschöne "Lass uns auf die Reise
gehn", das "Liebeslied", das wir zu einem
flotten Dreier umdichten sowie einiges mehr, und er begleitet den Anfang unseres Weges
journalistisch, was für die lokale Karriere von W&W nicht
gerade abträglich ist. Sein "Lied vom kleinen Revolutionär" ist einer der
Kracher in unserem 1. Programm und spiegelt unsere zwar
bürgerschreckende, aber eigentlich unpolitische Grundhaltung treffend
wider:
Das
Lied von kleinen Revolutionär:
Dem Opa hacke ich das Holzbein an
Damit der Alte nicht mehr laufen kann
Dann stecke ich dem Opa das Holzbein in Brand
Dann haben wir wieder ein Feuer im Land
Der Oma nehme ich die Brille weg
Und schmier ihr auf die Gläser Dreck
Dann sagt die Oma: Danke mein Kind
Ich bin ja sowieso schon fast blind
Der Schwester reiße ich die Puppe entzwei
Aus einem Holzpferd mache ich drei
Dann pinkel ich von unsrem Balkon:
Hurra, es lebe die Revolution!
Text: Thomas Rother, Musik:
Bernd Witthüser
Hier zu hören in einem Live-Mitschnitt von 1970
irgendwo in Essen:
ir
erarbeiten ein 1 ½ -stündiges Programm, nennen es "Lebende
Tote Vampire" undproben in jeder freien Minute im JZ Essen, wo der Leiter
Bernhard Graf von Schmettow uns glücklicherweise einen Raum überlässt, in dem wir
ohne die dummen Kommentare unserer Mitbewohner – also ungestört -
jederzeit üben können. Hausmeister und Personal, die ab und an teilhaben
(dürfen/müssen) an diesem künstlerischen Entstehungsprozess und unseren
musikalischen Ergüssen, sind ein kritisches
Publikum und geben manch ehrliche konstruktive, mitunter safige Kritik zum Besten
(manchmal auch noch etwas mehr), aber so kochen wir nicht nur im eigenen
Saft. Der dritte Mann bei W&W ist (kurzzeitig) Jens
Nissen, ein motorradfahrender
(!) Geiger aus Essen
- und Ende 1969 ist es dann endlich soweit: das Programm steht. Unser 1.
öffentliches Konzert geben wir im kleinen Saal des Essener Jugendzentrums
als Bernd Witthüser Sing- und Spielgemeinschaft (SuSG) – bei
Kerzenlicht, Rotwein und Weißbrot. Ganz in schwarz gekleidet, spielen wir mit
unserem Sammelsurium von mittlerweile ca. 20 Instrumenten gar gruselige Lieder
auf dunkler Bühne. Unsere selbst für heutige Verhältnisse einmalig
zu nennende Light-Show, die wir uns aus Resten in der JZ-Werkstatt
zusammengebaut haben, besteht aus 2 Strahlern: rotes Licht (Lampe links)
bei Liebesliedern, grünes Licht (Lampe rechts) bei Grab- und Vampirsongs
und rot/grün (also volle Kanne) bei nicht einzuordnenden Kompositionen. Nachdem
sich das Publikum an die eigen- und einzigartige Atmosphäre gewöhnt hat und auf
unsere ironisch/satirischen Erläuterungen,die wir zu den einzelnen Liedern geben,
mit Zwischenrufen eingeht,
ist der Bann gebrochen – es wird ein großer 1. Erfolg, der uns zeigt,
dass wir einen guten Weg gehen und unser musikalisches Projekt Zukunft haben kann.
Durch die Kontakte von Bernhard zu Veranstaltern und mittels diverser Flugblattaktionen und
obskurer Zeitungsanzeigen, aber auch durch erste Zeitungsartikel und
-kritiken über uns sind relativ schnell Auftritte im Ruhrgebiet gebucht,
wir haben erste Radio-Termine: das Projekt „W&W´s Pop-Cabaret“läuft
an. Wir
spielen auf der kleinen feinen Studio-Bühne der Stadt Essen, wo uns der
NRZ-Theaterkritiker bescheinigt, dass wir nicht mal Noten lesen können
(dabei war er zum ersten Mal in seinem Leben zur richtigen Zeit am
richtigen Ort - aber das hat er nicht kapiert). Wir ziehen durch
Deutschlands Clubs und Kleinkunstbühnen, bleiben eine zeitlang in Berlin
hängen und tingeln durch die
Berliner Kneipen (Go-In, Steve-Club, Dennis Pan, Folkpub
etc.), wo die Musiker jeweils einen kleinen Set für ein Getränk oder eine
Bulette als Gage spielten - und lernen die dortige Szene mit ihren
Cracks kennen (Insterburg &Co [für Karl Dall - Gott hab
ihn selig - waren wir immer Wicküler & Mostricht], Hannes Wader,
Reinhard Mey, Schobert & Black, Horst Koch etc.), wir sind auf der Waldeck bei den
Songfestivals - wir sind präsent und werden mehr und mehr wahr genommen. Das ist erstaunlich, weil wir so gar nicht in eine
Schublade passen: ist das Kabarett?Soll das Folk sein? Bänkelgesang und/oder
Eulenspiegeleien? Ist das alles ernst gemeint oder hinterlistig naiv?
Makaber oder Satire? Provokation oder Kitsch? Bieder oder totaler
Unsinn? In der Bewertung unserer Konzerte sind sich die Journalisten -
je nach Genre - so gar nicht einig - wir wissen es ja selber auch nicht.
Für uns zählt nur, dass wir Konzerte spielen und damit zumindest unsere Kosten
einspielen. Wir nutzen mittlerweile eine eigene Verstärkeranlage, die peu a peu weiter
ausgebaut wird, wir benötigen einen verlässlichen fahrbaren
Untersatz samt Kraftstoff, Instrumente und Saiten müssen gepflegt,
repariert oder erneuert werden: das läppert sich und bringt uns des
Öfteren an den Rand des Ruins: die Kosten steigen, die Gagen nicht - und
ein paar Taler zum Leben sollen eigentlich für uns auch noch
überbleiben: wir werden ja leider nicht ununterbrochen eingeladen..
nfang
1970 haben wir einen Gig in der Wuppertaler Börse: vor 8 (i.W. acht) Personen Publikum spielen wir unser Programm
herunter – so professionell wie es in so einem privaten Rahmen eben geht.
Dennoch: es ist schon ätzend vor einem (fast) leeren Raum ohne richtiges
Feedback zu spielen, wir fühlen uns unwohl
und sind heilfroh, als der imaginäre Vorhang endlich fällt und 1 ½
Stunden quälend langes Programm vorbei sind. Beim Abbau kommt ein
Pärchen auf uns zu, das sich diese unsere "Show" angetan hat: es ist
ein Bekannter von Bernhard mit
seiner netter Freundin. Nach obligatorischer
Begrüßung,
kurzem Händeschütteln und Schulterklopfen incl. der üblichen
Lobhudeleien lädt er uns zum Bierchen ein und offeriert uns dann - einen
Plattenvertrag!?!Dieser Mensch ist Rolf-Ulrich
Kaiser mit seiner Lebensgefährtin Gille Lettmann.Er hat mit dem Berliner
Meisel-Verlag (Hansa Musik) zusammen das
Ohr-Label gegründet
und ist nun
auf der Suche nach wirklich guten deutschen Gruppen. Ist er bei uns
denn da richtig?
Bisher wissen nur wir selber das sehr wohl (glaubten wir bisher), aber dass
andere das auch so sehen und wir
wirklich dazu gehören können bzw. dass jemand Außenstehender, dem eine gewisse Fachkenntnis
wohl nicht
abzusprechen ist, uns W&Wler zur Creme zählen könnte,
das haben wir wahrlich nicht erwartet! Und so finden wir uns
inmitten von Gruppen wie Floh de Cologne, Limbus 4,
Embryo, Guru Guru
- und fühlen uns da verdammt wohl.
Bernd muss mich am nächsten Tag - nach erster
Verarbeitung dieses positiven Schock-Erlebnisses - zunächst detailliert
darüber aufklären, wer denn nun
dieser ominöse Herr Kaiser wirklich ist (das er nicht der von der
Frankfurt-Mannheimer ist,
soviel ist mir mittlerweile klar). Rolf Ulrich Kaiser (kurz RUK) ist ein in Musiker- und
Undergroundkreisen wohlbekannter Musik-Journalist und Schriftsteller, der sich speziell mit alternativer Musik
beschäftigt, der zudem die Folk-Scene gut kennt und auf der
Waldeck Bekanntschaften schließt mit den Musikern: von daher
kennen sich die beiden. Kaiser produziert zudem Musiksendungen, schreibt
Artikel über internationale Folk-Künstler wie Joan Baez und Pete
Seeger, über Zappa und die Fugs und die Mothers
und publiziert Bücher und Hefte zur damaligen Popmusik: anerkannte
Fachlektüre zu Formen einer neuen Kultur. Er ist
mitverantwortlich für die Essener Songtage, bei denen Bernd
Geschäftsführer war. Ich lerne: dieser Kaiser produziert nicht
nur heiße Luft - sondern demnächst auch W&W...
Von
Peter Meisel, dem Chef des Hansa-Verlages, bei dem das
Ohr-Label angesiedelt ist, wissen wir erst mal garnix, rufen
unsere Kontakte in Berlin an und finden heraus, dass er sich rührend um den
deutschen Schlager kümmert. Schlagerfuzzis wie Drafi Deutscher, Ricky
Shayne und Marianne Rosenberg sind seine Zugpferde, auch das
Essener Mädchen Juliane Werding hat er später mit ihrem furchtbaren
"Am Tag, als Conny Kramer starb" in den deutschen
Schnulzenhimmel
gezerrt. Bernd sollte ihr auf Wunsch von Meisel Gitarrenunterricht geben,
lehnt ab - und Peter Busch von der Duisburger Bröselmaschine
übernimmt und entwickelt sich fortan zum Gitarrenlehrer der Nation. Wie
Kaiser den Meisel zu dieser Zusammenarbeit brachte, hat er uns nie erzählt
- aber er hat es geschafft und damit einen gut organisierten Verlag mit all
seinen Vernetzungen an die Seite geholt für den Vertrieb von Gruppen wie
Bröselmaschine,
Wallenstein, Ash Ra Tempel und Tangerine Dream, Hölderlin, W&W etc. :
eine wunderbar bunte Mischung extravaganter Bands in einem
Operetten-Verlag - mit dem Slogan "Macht das Ohr auf"
passt das wie die Faust aufs Auge.
afür,
dass RUK uns für sein Ohr-Projekt auserwählt hat, gebührt ihm eigentlich ein eigenes
Kapitelin diesem Buch – schließlich hat
er viel für unseren musikalischen Werdegang getan. Er unterstützt uns bei
(fast) allen unseren ersten Gehversuchen auf größeren Bühnen mit Rat
und Tat, gibt uns Tips und verschafft uns dank seiner
Kontakte richtig gute Gigs. Er lenkt uns unbemerkt – auch in
Richtungen, die wir so wohl nicht eingeschlagen hätten.
Er spricht mit uns Themen durch, bei denen er Potential für uns und
unsere Musik sieht, er
spielt uns
entsprechende Bücher und Texte zu und bringt uns mit Menschen zusammen,
die schon dort sind, wo er uns hin haben will. Er unterstützt uns
bei vielen unseren Vorhaben, vor allem, wenn sie ihm auch nutzen – z.B.
bei unserer Idee, aufs Land zu ziehen. Er schaltet Anzeigen, fährt mit
zu den Besichtigungen der Objekte, er organisiert unseren Umzug aufs
Land. Der Effekt für ihn: da sind wir abgeschirmt, werden nicht abgelenkt
- er hat uns besser unter Kontrolle. Mit seiner ruhigen Art wirkt er
teilweise einlullend – und weiß ganz genau, wo er sein Gegenüber
hin haben will. Immer an seiner Seite seine Muse Gille Lettmann,
anfangs noch im Hintergrund, im Laufe der Zeit immer mehr Einfluss
nehmend auf ihn und das Umfeld. Als Textildesignerin bringt sie uns
sogar fast dazu, von ihr entworfene und genähte Pailletten-Jacken auf der Bühne
zu tragen: als ich Bernd ansehe, überschlage ich mich fast vor Lachen – wir
ziehen uns vor dem Auftritt schnell wieder um... Sie wird sein „Sternenmädchen“ mit eigenem Blog, er
mutiert zu
„Herr Kristall“ und schließlich zu „Mr. 0“ und verschwindet in
"seiner Welt", aber
- wie schon gesagt - das alles ist eine eigene Geschichte, die nach
unseren gemeinsamen Jahren stattfindet.
ir
sind happy, wir sind aufgeregt wie kleine Kinder, wir fragen nicht
nach Prozenten, nur nach einem kleinen Vorschuss, aber eigentlich nach gar
nichts außer: wo müssen wir unterschreiben und wann geht es
endlich ab ins
Studio. Der Traum eines jeden Musikers, entdeckt zu werden, erfüllt sich bei einem der schlimmsten Auftritte unserer gesamten musikalischen
Laufbahn. Ein Plattenvertrag heißt: einem
größeren Publikum bekannt werden mittels Rundfunkinterviews, Werbung,
Fernsehauftritten. Welche Band in Essen kann sowas vorweisen? Das ist für
uns ein Quantensprung -
heraus aus einer regional beschränkten Bekanntheit hinein in den großen weiten
deutschsprachigen Raum. Dieser Vertrag ist ein Herausstellungsmerkmal, eine Art
Ritterschlag, ist was zum Vorzeigen, ist ein Türöffner: vielleicht
können wir in absehbarer Zeit tatsächlich von unserer Musik leben? Ein schöner
Traum scheint in Erfüllung zu gehen...
Die
Verträge werden in Berlin unterzeichnet (Peter Meisel hat uns eingeladen
zu Elchsteak mit Preiselbeeren), und im März 1970 fahren wir nach Hamburg, um unsere 1. LP "Lieder
von Vampiren, Nonnen und Toten" einzuspielen.
Die Produktion erfolgt im "Studio" Fürchtenicht, einer Art Heimstudio in
einem stinknormalen Wohnzimmer. Arbeiten können wir nur nachts wegen
des Lärms und der Straßengeräusche
tagsüber draußen (fehlende Schallisolierung), und Playback ist auch nicht: es
steht nur eine REVOX-Maschine zur Verfügung. Das heißt für uns: jeder
Titel muss im Hieb sitzen: macht einer von uns Musikern einen Fehler,
wird die Aufnahme gestoppt - und alles geht wieder von vorne los. Fährt
ein Laster vorbei und die Gläser klappern im Schrank: auf ein Neues. Zum Glück haben wir noch keine überhöhten
Qualitätsansprüche - weder an uns selbst noch an die Aufnahmeleitung - und wenn bei einem Trompetensolo mal die Spucke in
der Kanne brodelt, es aber intonationsmäßig nichts Großartiges zu
nörgeln gibt, dann wird das Ding ab gewunken. Für "Studio-Neulinge" schlagen wir uns recht
wacker, und unser
bewährtes Bühnenmotto „Perfektion ist nicht unsere Stärke“, mit dem
wir hörbare Fehler ins Menschliche ziehen, können wir bei dieser Art
der "Arbeit" zwar nicht erklären, es kommt aber hier voll zum Tragen.
Das Schöne ist: uns labert keiner rein, keiner schaut auf
die Uhr, keiner erinnert an Studiokosten - es ist entspanntes, ruhiges und
dennoch konzentriertes Musizieren. Als Gastmusiker und Roady ist Charly Weißschädel
mit dabei, der beim Flipper-Song in einer Schüssel virtuos mit
Wasser planscht - und nach 3 Nächten ist die LP im Kasten
(also auf Band). Alles, was wir hier
abgeliefert haben, ist tatsächlich handgemachte rein akustische Musik
ohne jegliche Spur von Elektrik, geschweige denn Elektronik, es ist
neudeutsch „unplugged".
urück
in Essen müssen wir erst einmal die "Sache" mit der GEMA in
Angriff nehmen, denn da gibt es für die Urheber Knete für die
Plattenverkäufe und die Verwendung der Musik im Radio und Fernsehen.
Die GEMA will aber sofort bei der Anmeldung eine Aufnahmegebühr
haben, und da wir wie immer extrem klamm sind, meldet sich nur mein Partner
Bernd Witthüser an, denn
er hat bis dato den größten Teil der Musik komponiert und erscheint auf dem
Plattencover auch als "Band"-Name. Mein Anteil an dieser
Produktion - wie auch an der nächsten - ist nur der
eines gewöhnlichen unterbezahlten und am Erfolg leider pekuniär nicht
beteiligten "Studio"-Musikers...
Als wir
endlich nach quälend langen und sich hinziehenden Wochen (gefühlte Monate) die 1.
Anpressung der LP in Händen
halten und vorsichtig auf
den Plattenteller legen, den Tonarm aufsetzen und die Lausprecher
aufdrehen, höre ich plötzlich
nur falsche Töne, jeder noch so kleine Fehler fällt mir jetzt auf und lässt mich
schaudern, jeder zu späte Einsatz wird zum größten Ärgernis -
eigentlich kann man jedes einzelne Stück viel viel besser machen - ja
man müsste die ganze Platte auf den Müll werfen und ganz von vorn
anfangen. Dass unsere Bekannten und Freunde die Produktion "einfach nur
toll" finden, empfinde ich als Mitleid - doch jetzt ist nix mehr zu
ändern.
Das einzig Schöne an der LP - finde ich - ist das Plattencover von Reinhard
Hippen, an
dem vorne ein Luftballon eingearbeitet ist.
Im Nachhinein - mit gehörigem Abstand - muss ich sagen:
diese 1 Produktion ist die Ehrlichste von
allen: eben HANDGEMACHT!
ie
Präsentation unserer Platten-Produktion erfolgt stilgerecht anno Juli 70 im Hamburger DRK-Haus.Wir werden in Särgen in
einen mit Kerzen beleuchten Raum getragen, RUK hält eine kurzweilig
launige, mit Grabesstimme vorgetragene Einführungsrede, dann klappen
wir die Sargdeckel auf und entsteigen dem Sarkophag, bleich geschminkt und schwarz
gekleidet und singen den anwesenden Journalisten und Kritikern das Lied:
"Wenn hoch die Sonn steht am Firmament, liegt Graf Dracula im Sarg
und pennt". Wir lassen das Abendglöckchen ertönen, das Mütterlein am Grab des Sohnes
weinen und zeigen die Lilie
vom See: das haben
Schreiberlinge, die sonst Opern kritisieren oder Rockkonzerte
besuchen, noch nicht gehört und erlebt - der Gag sitzt..
Es folgt ein ordentlich fetter Presserummel: der Stein, den wir geworfen
haben, zieht reichlich Kreise. Da dieses Motiv so außergewöhnlich ist,
kommt ein entsprechendes Echo in den Zeitungen zurück – und die ersten Fernsehsender
interessieren sich für uns: wir steigen langsam in neue Dimensionen auf. (Zeitungskritik Frankf. Neue
Presse)
Witthueser & Westrupp
stilgerecht bei der
Präsentation ihrer
ersten LP
"Lieder von
Nonnen, Toten und Vampiren"
beim Fototermin
Im August kommt dann unsere
Single auf den Markt - mit „Wer schwimmt dort?“ (Unser
Flipper-Smash-Hit) und der wunderbaren Rückseite „Einst kommt die Nacht“
- die Essenz aus den Todesanzeigen der Woche von unserer Pinnwand.
ir brauchen dringendst – die
Veranstalter fragten verstärkt danach – neue Plakate. Unsere
bisherigen, noch
für das Programm "Lebende Tote Vampire" der "Bernd Witthüser
SuSG" gemacht, auf denen wir grob gerastert und nackt ineinander verschlungen
erscheinen - sie sind alle weg und verbraucht...
...und so setzen wir uns wieder
mit
unserem bewährten Haus- und Hof-Grafiker/Fotografen-Team
Volker Bargatzki / Frithjof Hirdes zusammen und besprechen mit den
beiden einen möglichst originellen ausgefallenen einzigartigen
unverwechselbaren
Neuentwurf eines mindestens DIN A0 großen Kunstwerkes .
as Ergebnis sieht mehr nach einem
alt-ägyptischen Pyramidenwächterduo als nach einer neudeutschen
Folkrockband aus, aber
es ist wieder ein optischer Knaller – endlich mal wieder ein
künstlerisch gestaltetes Poster mit
Stil, mit Aussagekraft, mit Charisma – ein Kunstgegenstand eben, ein Stück
deutscher Plakatgeschichte, das sich nicht nur Musikliebhaber gerne auch mal ins Wohnzimmer
hängen und wo dann alle neidisch fragen: „Hey Mann, datt ist ja supergeil - wo hasse datt denn her?“
Darauf hat die Welt schon lange gewartet.
Die Nachfrage ist so riesig, dass die Druckerei kaum mit dem Druck und wir
mit dem Verschicken nachkommen. Wenn z.B. der ASTA der Uni Münster
für einen Auftritt von uns im dortigen Auditorium Maximum 100 Poster ordert, dann
liegt spätestens nach 1 Woche die Nachbestellung auf dem Tisch. Grund:
die Lieferung ist zwar angekommen und ausgehängt, aber mittlerweile von Fans oder
Kunstliebhabern wieder abgehängt und geklaut worden. Die Poster werden zu
einem begehrten Sammlerobjekt, was sich natürlich in der Szene
herumspricht und bei manchen Zeitgenossen dann leider auch unseriöse
(damit vermeide ich ein schlimmeres Wort) Energien weckt. Pedro Meurer,
Kampfgefährte zu der damaligen Zeit und bis dato eigentlich als Freund zu
bezeichnen, schließt sich in einer Nacht- und Nebelaktion mit
Poster-Shop Ecki zusammen, der sich ebenso in unserem Dunstkreis bewegt.
Die beiden lassen die Poster nachdrucken – ohne unser Wissen und ohne Genehmigung der Grafiker
(also der geistigen und auch praktischen Urheber) und
vertreiben Sie in ganz Europa und verdienen sich eine güldene Nase: diese
Nasenbären. Diese Schweinepriester! Wenn sie uns wenigstens beteiligt hätten...
Ich habe – nach Jahrenden - zum Glück irgendwann durch Zufall im „Fährschipp“,einer Kneipe in Essen-Werden, bei meinem Freund Achim Schagen (der uns nie
als Beleuchter mit nach Nepal genommen hat) ein Exemplar entdeckt. In einer großzügigen/-mütigen
Anwandlung und einem kleinen Umweg über Lamberts Arche Noah hat er es mir
dann zukommen lassen. Jetzt schmückt und verschönt es meine
eigentlich auch so schon wunderbare Bar: und nach jedem Schluck wird es
wunderbarer - und manchmal sogar farbig und kunterbunt...
m September sind wir schon auf dem legendären
Fehmarn-Konzert dabei (dem ich ein
Extra-Kapitel gewidmet habe), im Oktober spielen wir auf dem 3. Pop- und Blues-Festival in
Essen in der Grugahalle...
...dann nach Wien zu ORF-Fernsehaufnahmen, Radiotermine beim WDR, SWF und
Deutscher Welle (da hörte mich sogar meine Schwester in Uruguay),
Open-Air Festival in Frankfurt, Pop-Festival Bremen, 14 Tage München,
1 Woche Köln, Drei- Wochen
Gastspiel in Berlin bei den Wühlmäusen, spielen zum Advent auf bei der von
den "Nörgelbuffs" veranstalteten Feier in der Stadthalle Göttingen (wo die ganze Halle unseren Smash-Hit
"Flipper" mitsingt), sind zu Gast im Mainzer Unterhaus, dem deutschen
Kabarett-Tempel,
dazu immer wieder Pressetermine mit dem Stern, mit POP (Musik-Zeitung) und diversen
Tageszeitungen, Promotion-Tour für die LP etc.: nun brechen wir das Musikstudium ab (ist sowieso nur graue Theorie)
und auch unsere Nebenjobs bleiben auf der Strecke (abhängige Arbeit war
sowieso nicht unser Ding): wir können erstmals von unseren Gagen (über)leben. Doch von nix kommt nix, wie wir bei uns zu Hause zu sagen pflegen: wir spielen – wenn wir
zwischendurch Pause haben und zu Hause sind - auch weiterhin
nächtelang zusammen Melodien durch, improvisieren über bestimmten
Harmoniefolgen, nehmen alles auf Tonband auf und erarbeiten uns (und das
ist wirklich ARBEIT - aber schöner, effektiver und befriedigender als die
vorgenannte "abhängige", weil jetzt nur noch für uns selbst) einen neuen Fundus an Musik.
Wir testen einen weiteren Musiker mit Künstlernamen Paul Bussard, der uns
aber mit seiner Laute keinen witklich neuen Impulse geben kann: wir bleiben
musikalisch allein zu zweit...