Lass uns auf die Reise gehn, anderes
Land zu suchen
wo man den Sommer ohne Whiskey erträgt
und im Winter ohne Kohlen auskommt
und das Lieben nicht müde macht
In andere Landschaft
Lass uns auf die Reise gehn, anderes
Land zu suchen
wo die Heimat der schreitenden Reiher ist
der Sommer den Tieren im Maule liegt
und wo es keine Tränen gibt
in andere Landschaft
Leg Dir etwas Kleingeld hin: das
Kleingeld der Träume
über die Lieder von Abschied und Ankunft
der Abschied ist leicht und die Ankunft ist schwer
der Rückweg ist dunkel und weit
aus anderer Landschaft.
Lass uns auf die Reise gehn, anderes
Land zu suchen
wo Mauern und Zäune schon abgebaut sind
wo Wiesen ohne Kettenspur´n grünen
und wo man ohne Theater stirbt
in andere Landschaft
Text: Thomas Rother / Musik: Bernd
Witthüser
von der W&W-LP "Trips &
Träume"
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DIENSTWAGEN
FAHRTEN
DDR - VOPOS
BRD
- RAF
W&W
1971
Es ist Trips & Träume-Zeit und wir
sind fast nur noch auf Achse quer durch Deutschland bis hin ins
entfernteste Ausland (Österreich, Luxemburg, Holland), denn unsere Titel
tauchen jetzt – über Geschmack lässt sich eben nicht streiten - in
diversen Hitparaden (z.B. Radio Veronika, Radio Luxemburg, SWF...)
oder in Hitlisten von Fachzeitungen (St. Pauli Nachrichten [!?]) auf. Konzerte,
Presse- u. sonstige Promotion- u. Studiotermine - auch als Gastmusiker
bei anderen Produktionen (z.B. Bröselmaschine, Hölderlin, Jerry Berkers
und später auch bei der Walter Wegmüller s TAROT-Produktion oder beim
Sergius Golowin -Projekt) - halten uns in Dauerbewegung. So ist das bei der OHR-Familie:
jeder hilft aus, auch bei unseren Produktionen helfen uns Musiker anderer
OHR-Gruppen, z.B. Jürgen Dollase, Harald Großkopf, Bill Barone, Jerry
Berkers ...
CITY-POP- Beat in
Deutschland heißt ein Film der Bavaria fürs deutsche und englische
Fernsehen, in dem auch die Essener Pop-Gruppe Witthüser &
Westrupp mitwirkt. Auf der Kettwiger Straße - die Promenade in
Essen - wurden einige Szenen mit den Essener Ulkvögeln gefilmt (im
Vordergrund von links: Witthüser, Westrupp , Gaststar Bärbel
Kuhnert , Paul Bussard und Kameramann Gerard Vandenberg ).
Dieser Film von Rolf Ulrich Kaiser (auch mit Guru Guru, Can,
Amon Düül II, Tangerin Dream und Popul Vuh ) erscheint im Herbst in
der ARD. NRZ 71, Foto Schey
Wir
spielen und spielen, egal wo und wann und für wen, denn das
ist ja genau das, was wir immer wollten. Unsere Art von Musik machen und
dabei und damit neue interessante Menschen kennenlernen, mit dem Publikum diskutieren und mit
anderen Musikern in Kontakt kommen und bei all dem Spaß haben - das ist
jetzt unser Leben. Film, Funk, TV und Kasperletheater: wir sind plötzlich
gefragte Gäste in Magazin- und Musiksendungen, kennen so manche
Pressefuzzis mit Vornamen und fühlen uns in diesem Business heimisch.
Nur
finanziell kommen wir nicht zurecht: die Gagen in den Clubs decken grade
mal die Spritkosten - und selbst dafür reicht es manchmal nicht. Wir
leben von der Hand in den Mund, und öfter mal ist die Hand leer. Dann
müssen wir uns an irgendwelchen dunklen Ecken an geparkten LKWs den
Diesel "ausleihen" - quasi Mundraub und mittlerweile verjährt: geschmeckt hat uns das wahrlich nicht -
mit einem Schnaps war der böse Geschmack aber schnell runtergespült. Hotel oder
Restaurant sind nur bei "offiziellen" Terminen mit den Plattenfirmen,
bei Fernsehaufzeichnungen oder bei großen Festivals angesagt. In Wien
hat uns der ORF im besten Hotel am Platze untergebracht: dem Hotel
Kaiserhof. Wir residieren dort standesgemäß in einer Suite mit separatem Arbeitszimmer,
großem Bad mit Ankleide - und einem Bett mit
stufenloser Massagefunktion: wir haben die ganze Nacht kein Auge
zugetan. Im Park Hotel Bremen (Übernachtung Pop-Festival Stadthalle)
beziehen wir nicht ganz so luxuriöse Zimmer mit einer Klappe an der
Eingangstür: dort stellt man seine Schuhe hinein - und am nächsten
Morgen sind sie geputzt. Dachten wir. Bei anderen hats auch funktioniert - unsere Schuhe waren
aber wohl nicht sauber
genug...
Doch normalerweise pennen wir im Auto (und werden dabei des
Öfteren
von der Polizei geweckt und gefilzt) oder bei Fans (Schlafsack gehört
zu unserem Notfallset inkl. Zahnbürste und 2ter Unterhose) und verpflegt
werden wir von den Pommes-Buden, die wir unterwegs finden. Windige
Veranstalter bescheißen uns - sind plötzlich Pleite oder verschwunden
oder grade nicht flüssig oder oder oder: auch das gehört zum Leben von Musikern:
nicht nur Groupies, rauschende Feste, Drugs & Knete ohne Ende.
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UNSERE
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ut
sortiert sind wir dennoch und können - dank vieler Spenden und der Großzügigkeit unserer Fans und
Besucher - aus dem Vollen schöpfen: erstklassigen schwarzen Afghanen,
bestes Gras, Essenzen zum Kuchen- und Plätzchen backen. Zudem nehmen
wir ab und an ausgesuchte
saubere Trips: das alles natürlich nur zu bewusstseinserweiternden Übungen und meditativen Exerzitien
fürs musikalische Weiterkommen. Solange wir dabei mit den Beinen auf dem
Boden bleiben, ist das mehr oder weniger ungefährlich. Aber wir sind
jetzt viel öfter unterwegs im Auto als in unseren Betten - übermüdet und/oder stoned.
Es ist nicht ohne, teilweise verdammt
gefährlich - wir halten uns mittels Captagon und AN1 wach und donnern mit unserem Auto
durch Tag und Nacht, durch Nebel und Regen, auf Schnee und Eis - kommen
immer ans Ziel und mittels Valium hinterher auch wieder runter.
Unseren
1. Wagen, einen alten Opel Rekord, haben wir für kleine Maus gekauft - und er
hält auch nur 9 Monate. Danach fahren wir 2 Jahre lang einen Mercedes Benz
W 120 1,8l D (sah natürlich nicht so gut aus wie auf dem Foto): dieses Auto ist ideal für
unsere Zwecke und erfüllt alle unsere Anforderungen: bequemer
Reisewagen, solide Ausstattung, Boxen auf dem Dach, flatternde Plane im Fahrtwind,
Instrumente im Kofferraum und dicke Zing (Trommel) hinter dem Fahrersitz -
und Karlchen unterm Fahrersitz. Wenn´s ihm zu langweilig war, dann
verbiss er sich schon mal in die Hosenbeine des Fahrers - einmal habe
ich bei einem Befreiungsversuch knapp einen Brückenpfeiler verfehlt. Bei dieser Aufteilung im Wageninneren kann zumindest der Beifahrer seinen Sitz
nach hinten klappen und zwischendurch versuchen, eine Mütze
erfrischenden Schlafes mitzubekommen. Nachdem der Motor dieses schönen
Fahrzeuges seinen Geist aufgibt,
versuchen wir es mit einem VW-Bulli: so ein Hippie-Bus (wir taufen ihn
Frodo)
passt ja auch viel besser zu uns als so ein Mercedes Benz, bietet
reichlich mehr Platz für unser Equipment, und gemütlicher pennen kann
man darin auch. Stimmt alles, leider bleibt dieses wirklich praktische
Fahrzeug immer wieder liegen, am spektakulärsten auf einer Fahrt von
Norddeutschland zurück in den Hunsrück: auf der Autobahn bei
Düsseldorf gibt es im Heck einen tierischen Knall, alle Lampen am Armaturenbrett gehen an, der Motor aus. Auf der Standspur stehend finden
wir bei der Fehlersuche ein großes Loch im Motorblock: da ist wohl ein
Ventil abgeflogen. Über eine in der Nähe stehenden Brücke checken wir
die Gegend und finden tatsächlich in einer Scheune so eine Art
Werkstatt. Die dunkelen Gesellen dort schleppen unseren Bulli in ihre
Werkstatt, haben zufällig einen passenden Motor, und für 800,- DM
inklusive (mehr haben wir nicht bar dabei) setzen wir kurz vor Mitternacht unseren Weg fort, erreichen
unseren Hof mit Mühe und Not: wir leben, der Motor aber ist aber schon
wieder tot. Wir gönnen dem Wagen einen weiteres Aggregat, das hält
aber auch nur ein paar Wochen
- das ist uns jetzt einfach zu unzuverlässig. .A ls Konsequenz
verschrotten wir dieses wunderschöne Wrack und mieten wir uns
fortan für unsere Konzerttouren lieber verlässliche Fahrzeuge.
1971
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ie
Zeit wird immer knapper, weil
zum Einen unser Management (also wir selbst) nicht in der Lage ist, die
Auftritte nach Gebieten zu koordinieren (es kommt vor, dass wir Berlin-Göttingen
und zurück 3x in einer Woche zu bewältigen haben) und zum Anderen wg.
der starrköpfigen Veranstalter, die Termine einfach nicht nach unseren
Vorgaben legen wollen, und dazu dann noch die unkalkulierbaren und nicht
vorherzusehenden Natur-Ereignisse wie Staus, Pannen, Ringfahndungen, Spritmangel,
Konzertort nicht in der Stadtmitte, Kellerlokale im 3. Stockwerk,
Radiostationen in Grünanlagen) oder an Straßen, die es in unseren Karten
- wenn wir überhaupt eine von dem Veranstaltungsort haben - gar nicht
gibt. Handys sind noch nicht erfunden, Navigationssysteme gibt´s nur in
Flugzeugen, wir fragen uns durch bei Taxifahrern und Tankstellen: das
hilft wirklich weiter, so dass wir es meist vor dem Schlussakkord schaffen,
auf der Bühne zu stehen. Und dennoch: Trotz all dem Stress - verursacht durch
Termindruck, durch äußere Umstände, die wir nicht beeinflussen können,
teils auch durch unsere eigene Schusseligkeit - erledigen wir diese
"Arbeiten" mit unheimlich viel Spaß: wir bleiben mit den
Köpfen über Wasser. Im Nachhinein bin ich froh und
dankbar, dass wir all diese Reisen (dabei haben wir ja nun auch einige Kilometerchen
zurückgelegt) bis auf einige kleine Kratzer unfallfrei zurückgelegt und
überlebt haben.
ür Grenzübertritte - egal wo - kalkulieren wir jetzt
erfahrungsgemäß jeweils ½ Tag ein. Da findet eine immer wiederkehrende
Zeremonie statt, auf die Zöllner in jahrelangen Lehrgängen sorgfältig
vorbereitet worden sein müssen: ausgewählte Spezialbeamte – teilweise
mit Hunderudeln - übertreffen sich gegenseitig bei der Suche nach Drogen
und/oder Waffen: Türfüllungen werden ausgebaut, Lüftungsschläuche
abmontiert, Sitze rausgenommen, Reserverad und Radabdeckungen systematisch
untersucht, Rahmen abgeklopft und Luftfilter demontiert, Kleidung gefilzt etc.: als
ob wir an
solchen jedermann zugänglichen Plätzen und direkt ins Auge fallenden
Stellen unseren Shit und die Kalaschnikows verstecken würden? Die halten
uns echt für noch bescheuerter, als wir aussehen. Und auch die
Instrumentenkoffer haben es ihnen angetan: davon sind ja genug vorhanden.
Dort finden sich so gefährliche und höchst verdächtige Dinge wie Psalter
(wäre ja auch als Flitzebogen zu verwenden), Posaune (zum Schmuggel von
Räucherstäbchen), Ukulele (quasi ein Baseballschläger-Vorläufer), Banjos
und Gitarre (alles Schlaginstrumente), diverse Flöten (allseits bekannt
als Blasrohre), und die Trompete - bekannt als Signalgeber für Revolutionen
- müsste eigentlich sofort konfisziert werden...
Hier ist Einiges aus unser em Waffen-Arsenal zu sehen...
1971
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B ERLIN
& DIE VOPOS
ahrten nach oder von Berlin nehmen da –
eigentlich unglaublich - noch eine um Stufen höhere Sonderstellung ein.
Stellen Sie sich das einmal vor: zwei verwilderte langhaarige
„Gammler“ - angeblich Musiker - in einem echten Mercedes!
Das kann man sich nicht vorstellen, und daher sind wir ein gefundenes Fressen für
jeden VOPO. W ir werden bei jeder Durchfahrt, egal ob
hin oder zurück - schikaniert. Bernhard
muss sich laufend Ersatzpapiere (inkl. Passbild) ausstellen lassen, weil
auf seinem Reisepass sein rechtes (oder war´s das hintere) Ohr nicht ganz
zu sehen ist oder die Haare länger
als auf dem Foto sind (die wachsen nun mal) oder der Hals ungewaschen und die
rechte Augenbraue falsch gekämmt erscheint. Ich komme ob meines höchst gepflegten Äußeren meist besser weg (kürzere Haare sorgen nun mal
für einen
guten Eindruck), aber an einem besonders guten Tag eines Grenzbeamten war
mein Bart plötzlich zu dick oder zu kurz oder meine Brille nicht richtig
geputzt oder gar eine andere als auf dem vorgelegten Foto. Generell müssen wir
unseren Wagen leer räumen, die Instrumente zeigen, unsere Aktentaschen
leeren (und wehe, es ist was englisch-sprachiges dabei oder eine
Undergroundzeitung mit Sekt & Drops & Helmut Kohl vorne drauf [nein, den
gibts
damals ja noch gar nicht – wir haben ja unseren FJS]), dann dürfen wir
uns von unserer Textilien befreien und bis auf die Unterhosen ausziehen, die Arschfalte zeigen,
den Hoden anheben und die Vorhaut zurückziehen.
ei einer Durchreise durch die
sowjetisch besetze Zone reißt uns
der Auspuff ab und schleift funkensprühend über den Boden: wir düsen wie eine Sternschnuppe durch die DDR-Nacht, die noch finsterer ist als
eine stockdustere BRD-Nacht. Es dauert auch gar nicht so lange, dann
haben uns die Vopos auf dem Radar: unbekanntes Flugobjekt landet auf der
Transitstrecke!. Weil Landen dort verboten ist, zahlen wir zunächst mal
400 DMchen West ohne Quittung bar auf die Kralle wg. unbefugter Benutzung
der Rollbahn. Um weiter fahren zu dürfen, binden wir mittels
Abschleppseil und mehrerer Spezialverknotungen (6-facher Windsor mit
abschließendem doppelten Palstek) den Auspuff
soweit hoch, dass er nicht mehr schleift - und dürfen weiter fahren.
Jetzt liegt unser Wagen wegen unserer Verstärker-Anlage auf dem Dach und der Instrumente hinten
im Kofferraum sowieso ziemlich tief, und die Bodenwellen auf der Transitstrecke sind
auch nicht ohne. Die beiden Vopos wissen das natürlich und geben uns
Geleitschutz bis zur Grenze und hätten (wie angedroht) im Wiederholungsfall eines
Funkenschlages a) wieder kassiert b) den Wagen stillgelegt und c) uns
eingelocht wg. wiederholter Gefährdung der rechtschaffenden Bürger und
Bauern des sozialistischen Arbeiterstaates. Wir sind klatschnass
geschwitzt und stinken wie alte Skunks beim letzten Abgang, als wir diese
Fahrt hinter uns haben! Aber auch solche Erlebnisse stärken uns nur noch
mehr.
ei den Ausreisen dürfen wir mit wenigen
Ausnahmen an der Grenze gleich die Garage neben den Seitenstreifen anfahren: nicht zum Parken (hier
gibt es kein Motel!). Hier wird nach allen Regeln der Kunst und mit großem
Personalaufwand in aller Ruhe nach Republik-Flüchtlingen gesucht. Dafür
muss jedes Mal das Auto zerlegt (Räder ab, Sitze raus, Türfüllungen ab,
Kofferraum leer) sowie Boxen auseinander genommen, die dicke Zing von den
Fellen befreit und die Instrumentenkoffer entleert werden. In dieser
Beziehung konnten diese tumben Grenzer echt kreativ werden: ihnen fielen
immer wieder neue Schikanen ein. Wobei uns bei ihrem Tun mancherlei Fragen durch
die Köpfe schwebten: wie groß sind eigentlich Republikflüchtlinge im allgemeinen und
wie sehen wohl solche
Spezial-Flüchtlinge aus, die in einem Gitarrenkorpus Platz finden. Liliputaner-Artisten, kleingewachsene Schlangenmenschen, Kinder ohne
Wirbelsäulen, die sich durch die Gitarrenseiten und das Schallloch
quetschen können und sich in diesem Holzhaus dann unsichtbar einrichten.
Wenn dann kein Flüchtling, kein Shit oder andere subversive Materialien
gefunden werden (und wir sind da verdammt vorsichtig – es werden
glücklicherweise
nur Lappalien „entdeckt“, und dazu zählt schon eine
Underground-Zeitschrift) dürfen wir alles wieder zusammenbauen. So
lernen wir Instrumente und Equipment durch und durch kennen, und unsere Fähigkeiten
beim Zusammenbau von Autos hätten für eine Festeinstellung als
Vorarbeiter in der Montagehalle von Mercedes Benz allemal gereicht – und
(als Nebeneffekt) bleiben durch das
dauernde Auseinander- und Wiederzusammenschrauben die Gewinde immer
schön gängig.
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eien wir fair – auch in der BRD sind wir
gefragte Objekte. Vor allem im Rahmen der Fahndungen nach RAF-Terroristen passen wir in
jedes Raster. Wenn wir in eine Straßensperre fahren (meist an
Autobahn-Ausfahrten oder im Grenzen-Bereich), dann ist aber alle Achtung
angesagt. Wenn ein Trupp von vermummten schwarzgekleideten Elitekämpfern
mit angelegten MPs und MGs das Auto umstellt, dann sind extrem
langsame Bewegungsabläufe angesagt. Ein falscher Griff zum Handschuhfach,
eine hastige Hand-Bewegung in Richtung Hosentasche – nicht auszudenken.
Die sind nervös, und wir klatschnass geschwitzt. Ein falsches Wort, ein
blöder Blick, eine missverständliche Beule in der Hose (und Bernhard
hatte ein schönes Rohr) und die hätten uns plattgemacht – so wirken
die zumindest auf uns und so geben sie sich auch jedes Mal – die können
zudem auch noch ´ne große Klappe haben - die sind ja immer in der
Mehrheit. Selbst Bernhard mit seinem sonst sehr lockerem Mundwerk ist in
diesen Situationen ein gar ruhiger, freundlicher, ja zuvorkommender und äußerst
verträglicher und auskunftsfreudiger Zeitgenosse. So dürfen wir uns breitbeinig ans Auto
stützen (manchmal sogar ohne Handschellen),
werden gekitzelt und nach Waffen
durchsucht, freundlichst nach unserer Daseins-Berechtigung, nach dem Sinn
und dem Zweck unserer Autofahrt gefragt, das Auto nach versteckter
Munition, Waffen, Rauschgift und flüchtigen Terroristen durchsucht –
dann dürfen wir tatsächlich weiterfahren und sind immer wieder heilfroh,
wenn unser Wagen beim ersten Startversuch anspringt und wir, hurtig - aber
auch wieder nicht zu schnell – vom Ort der Geschehens wegkommen: Blicke
wie Dolche im Rücken.
nseren an- und aufgestauten
Frust von all diesen miesen und ätzenden Begebenheiten arbeiten wir bei den
wenigen Demos ab, an denen wir das Vergnügen haben teilnehmen zu können:
fest im Gedächtnis die Anti-FJS-Demo vor dem Saalbau Essen, wo wir mit
Pferdeäpfeln und Farbbeuteln um uns werfen und dann eine schöne
Klopperei mit der Polizei haben – wobei wir mit unseren Pferdeäpfeln
gegen die Gummiknüppel ziemlich chancenlos sind – von wegen Verhältnismäßigkeit
der Mittel? Den Tritt in meinen Unterleib und die Macke an der Oberlippe
habe ich fast wieder vergessen. Daß mich ein nettes Mädchen vorm
Einlochen gerettet hat, nicht. Solche Aktionen stärken das
Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl der Teilnehmer, welches
sich bei Springerhäuser-Blockaden
oder den Ho-Chi-Minh-Provokationen, die wir vom KZ Essen
(Kommunikations-Zentrum) aus über Essens Hauptstraße unternehmen, um
brave Bürger zu erschrecken, entwickelt und das mit jeder weiteren Aktion
gefestigt und vertieft wird - und das mit Hilfe des Wasser der Wasserwerfer
jeder Mal aufs Neue aufgefrischt wird...
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