Am Anfang war nichts als Brösel
Da teilte man den Brösel
Dann ging man daran, Gräser, Kräuter, Stecklinge, Und man machte zwei Lichter:
Und man sprach: er wimmle das Gebrösel Und man sagte: lasset uns ein Ding machen
Als man dann ansah, was man aus dem Brösel geschaffen hatte
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Engagierte Liedermacher wie Franz-Joseph Degenhard und Dieter Süverkrüp, auch Gruppen wie Ton Steine Scherben und Floh de Cologne gaben vielen Bewegungen musikalischen Rückhalt, Nonsens-Gruppen wie Insterburg & Co fabrizierten echte Comedy (damals gab es diesen Begriff noch nicht), Theater- und Agitatoren- Gruppen wie First Vienna Working Group mischten nicht nur das beschauliche Waldeck-Festival auf. Und in der Pop-Szene waren Gruppen wie Amon Düül, Embryo, Guru Guru, Tangerine Dream, Annexus Quam, Bröselmaschine, Emtidi, Hölderlin, Wallenstein, Birth Control, Ashra Tempel, Xhol, Can und viele andere mehr plötzlich tonangebend. |
Ein Wort vorab zu W&W: was in all das, was wir so veranstaltet haben, hinein interpretiert wurde, war teilweise echt abenteuerlich. Wir haben uns verwirklicht durch Aktionen, durch Musik, haben lediglich unser direktes Umfeld umgestaltet - und andere glaubten darin Dinge zu sehen, an die wir selbst im Traum nicht dachten. Wenn wir tatsächlich etwas bewegt haben, dann soll wirklich niemand glauben, dass wir es getan haben, um etwas zu bewirken. | ![]() Bild aus einer Fernsehprogrammzeitschrift, in denen wir des Öfteren abgelichtet auftauchen |
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Wir lebten als kleine Gruppe in einer Parallelwelt - um uns herum erklommen Roy Black und Heintje die Hitlisten, Heinrich Lübke war Präsident, Heinz Schenk übernahm den Blauen Bock und Hans Rosenthal trieb das alles auf die Spitze. Und wir - mittendrin - waren junge Menschen, die sich von verstaubten Vorstellungen der Eltern, dem Establishment, der Politik und ausgetretenen Pfaden entfernten - die locker, flockig und mit viel Spaß in den Backen einen eigenen Weg gingen mitten durch eine Wirtschaftwunderwelt zwischen Wiederaufbau und Protest. Daher soll so ein Leben nicht ein Außenstehender beschreiben, der sich an Interpretationen versucht, sondern jemand, der es auch gelebt hat. Dieser Aufgabe stelle ich mich hier sehr gerne und gehe dieses Vorhaben frohen Mutes an – Autodidakt in Erlebnisaufschreibungen - und zwar mit einem
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Also, dieser Mensch ist ein Dr. med. (er wurde auch im richtigen Leben mein Doktor) und ich nenne ihn der Einfachheit halber Dr. Jürgen Remy alias Doc. Es fertigt mittlerweile zwar nicht mehr aktiv Patienten ab – dennoch ist er Freund geblieben – mein Freund, auch der Freund meiner Frau (was die geneigte Leserschaft hoffentlich nicht stört – mich jedenfalls nicht) und er ist auch Freund und Partner meines Sohnes, mit dem er in den neuen Technologien praktiziert (Hardchor und Software): er gehört zur Familie – samt seiner Frau und seinen Söhnen und den Enkelkindern - ein wahrer Freund eben *.
Wie schon gesagt: die Idee zu einem schriftlichen Rückblick auf die Zeit 1967 - 1973 samt dem ganzen wahnsinnigen Drum und Dran schwirrte ja schon seit Urzeiten als nebulöse Wolke durch meine graue Zelle, doch allein bei dem Gedanken an eine Stichwortsammlung bekam ich jedes Mal gefährliche Schnappatmung. Mit Docs Buch ändert sich da etwas, in mir festigt sich der Eindruck: jeder kann doch sowas schaffen, wenn er es nur wirklich will. Ich wollte wollen und entscheide: jetzt oder nie - ich fange einfach mal an. Ja gut, es wird behauptet: wer nicht lesen kann, sollte sich kein Buch kaufen. Aber ich will jetzt lesen lernen: einen Rechner habe ich, einen Scanner ebenso, Musik ist vorhanden und der Wille jetzt auch... |
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Wo könnte etwas Brauchbares zu finden sein? An ein Bündel Zeitungsausschnitte aus der damaligen Zeit konnte ich mich vage erinnern, abgelegt in einem Karton irgendwo auf dem Dachboden. Im Plattenschrank standen sauber aufgereiht alle unsere Singles und LPs und jede Menge Sampler. Die obligatorischen marktschreierischen Waschzettel-Texte der Plattenfirma hatte ich glücklicherweise irgendwann im Verlauf einer meiner seltenen Aufräumaktionen in einem Aktenordner abgeheftet, und in einer großen Metallkiste im Keller voller "Antiquitäten" aus der guten alten Zeit fand ich tatsächlich noch Textbücher, Fotos und weitere verwertbare Unterlagen: ich begann nach und nach allerorten solche Materialien aufzustöbern, zusammenzutragen und zu sichten ... |
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Ich grübelte über Namen nach (die konnte ich mir noch nie merken) und schlief dann erst recht nicht mehr ein - manchmal nahm aber zumindest eine Person langsam Gestalt an: das Gespenst bekam ein Gesicht – meist wenn die Vögel draußen zu Brüllen anfingen. Es konnte sich aber auch bei einem Konzert, bei einer Party oder einfach in der Stadt auf der Straße oder bei einem Spaziergang ereignen, dass ich angesprochen wurde: "Hey Alter, weißt Du noch..?" Meist wusste ich erst mal gar nix und erinnerte mich an nichts. Manchmal entwickelte sich eine Ahnung, um was und wen es ging, wer da vor mir stand und welches Ereignis hinter ihm: das konnte dann im günstigsten Fall erfreulicherweise zu einem weiteren Beitrag in diesem Manuskript führen...
Abschließend ernannte ich alle auf der Bildfläche neu erschienenen Gestalten zu Darstellern und pflegte sie in die Mitwirkenden-Liste im Anhang ein. |
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Ja nee - ich sach ma so: man wird ja mal träumen dürfen. Ich hoffe nach wie vor und immer wieder und glaube ganz fest daran und bin mir da eigentlich auch ziemlich sicher, dass in Zukunft noch die eine oder andere Beachtung verdienende Anekdote oder besondere Begebenheit, die eine Erwähnung inklusive Niederschreibung wert ist, aus den Niederungen des Vergessens hier auftauchen und diese Sammlung von alten Erzählungen weiter vollständigen wird: ich bleibe am Ball - versprochen! |
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* Doc war zunächst auch einer der Vorwort-Aspiranten für dieses Werk: schließlich kann er mittlerweile alle Songs von W&W textsicher mitsummen. Wie ich ihn aber einschätze, wäre sein Vorwort länger als meine gesamten Memoiren geworden und wohl irgendwann in Richtung "musikalisch-medizinisches Nachschlagwerk" abgedriftet. Zudem hat er den beschriebenen Zeitabschnitt (67-73) mit studieren und operieren verbracht - und daher fiel er (leider) als Laudator raus.. |
68er nach
Noten - Einleitung
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© 2003 by Walter Westrupp, zuletzt
bearbeitet im Jänner 2022