Witthüser und
Westrupp: Märchen &
Geschichten: Landleben bei Bauer Plath in Dill
Märchen
und Geschichten
Hinter den weißen Bergen, nah bei der kleinen Stadt
da steht das Haus, wo Bauer Plath sich niedergelassen hat
hier lebt er mit Frau und Tochter in glücklichem Bund
zusammen mit Karl, dem kleinen schwarzen Hund
Die
Tage gehen, die Tage kommen
Bauer Plath hat uns bei sich aufgenommen
und oft sitzen wir zusammen bis in die Nacht hinein
bei Kerzenschimmer und bei Kräuterwein
Wenn
die Sichel des Mondes das Sternenfeld mäht
wenn der Nachtwind vom Bach her die Nebel aufweht
da hörn wir vom Wald her ein fröhliches Klingen
und sehen dort Elfen tanzen und springen
Zum
Tanz spielen Trolle auf Flöten und Geigen
kleine Zwerge tanzen dazu einen Reigen
und vor dem Wald, der im Takte sich wiegt
singen die Elfen ihr altes Lied
Wir
stimmen uns ein in den hellen Gesang
fliegen dahin auf dem güldenen Klang
haben lange gesucht und nun endlich gefunden
das große Glück der ewigen Stunden
Die
Nächte sind lang und die Tage kurz
hier leben wir frei ohne Sorgen
wir lieben die Welt und wir werden geliebt
und wir denken nicht mehr an morgen
Witthüser & Westrupp - Titelsong der W&W-LP "Bauer Plath"
Der Hunsrück-Bauer hat
die dicksten Kartoffeln
Schöne Grüße von Bauer Plath und Witthüser & Westrupp
(Info der Plattenfirma zum Erscheinen der LP "Bauer Plath")
LANDLEBEN
n
der Ruhe liegt die Kraft, wird landläufig behauptet- und da sind wir ja jetzt
tatsächlich live dabei - und hören mit anderen - offenen und resetteten
- Ohren nun auch andere Musik: sta(d)[t]tSex & Drugs & Rock´n Roll à la
Stones, Burdon, Stewart, the Mad Dogs & Englishmen
& Co. haben wir jetzt The Incredible String Band, Fairport Convention,
Dr. Strangly Strange, Fotheringay, Pentangle und The Strawbs im Ohr, lesen nicht
mehr Magazine, Tageszeitungen und Jerry Rubins „DO IT“ (amerikanische
Variante von "Macht kaputt, was euch kaputt macht"), sondern Tolkien, Castaneda,
indische Märchen, Hesse,
Gelpke und Michael
Ende, trinken immer mehr Tee statt Kaffee und rauchen mehr Gras als Tabak
(denn - wie sagte schon Paracelsus: jedes Gift [Droge]), richtig dosiert,
ist Medizin), und die brauchen wir, um im Kopf wieder frei zu
werden. Welcher
Wechsel doch im Leben - tiefe Stille dort und Leid,
hier - bei arbeitsamem Streben:
Jugendglück und Fröhlichkeit (quasi die Bestätigung unseres Liedes von
der LP "Nonnen, Tote und Vampire").
Wir haben uns akklimatisiertund werden als „die beiden Exoten aus dem Kohlenpott“ aufgenommen in die
Dorfgemeinschaft – nicht direkt offiziell, aber die Dorfgemeinschaft
findet den
Presserummel um uns und das Dörfchen schon sehr interessant. Man
unterbreitet uns sogar irgendwann den Vorschlag, mit dem Diller Männerchor bei Plattenaufnahmen
zusammen zu arbeiten – das sagt ja wohl alles!
Das
aktuelle Tagesgeschehen entfernt sich mehr und mehr von uns oder wir von
ihm – in unserem
Leben zählen fortan andere Wertigkeiten: Was machen die Spinnen am Klo,
wie geht es dem wilden (ehemaligen Hof-) Kater Peter, wie stehen die Rüben,
kriegen wir die Ernte trocken rein, wann kalbt die Olga... Wir helfen, wann
und wo wir können, auf dem Hof, und es macht Spaß (aber wir müssen ja auch
nicht jeden Tag ran - vor allem nicht um 06:00 Uhr morgens raus). Wenn wir z.B. nachts um 4 Uhr – raus geklingelt von
unserem Bauern - beim Nachbarn bei einer schweren Kalbsgeburt mit anpacken
und alle Beteiligten nach erfolgreicher Arbeit einen Schnaps trinken, während
das neugeborene Kälbchen im Stroh liegt, dann gibt einem das schon etwas
mehr als eine durchgesoffene Nacht in der „Goldenen Stadt“ beim Prebec
in Essen. Wir sind näher dran am Leben, beim Säen und Ernten, beim Gebären
und Sterben.
Oft
sind wir nun bei unserem Bauern zu Gast – eingeladen zum ausgiebig-üppigen
Abendessen und anschließender Tresterbrand-Vernichtung - oder er besucht uns auf ein Gläschen/FläschchenWein
und einen guten Tresterbrand.... Wir treffen die Bäuerin im Stall beim Misten und
schnacken mit ihr – oder ihre Schwester beim Einkauf in dem kleinen Lädchen im
Dorf-Zentrum, wo mehr die Dorf- als die Weltpolitik diskutiert wird. Wir nehmen
teil an Dorf-, Schützen- und Feuerwehrfesten, wo auch ein zünftiger Frühschoppen
niemanden davon abhält, mit seinem Fahrzeug noch weitere Ziele anzufahren
– es gibt nur einenDorfpolizisten weit und breit, und der feiert immer mit. Trotzdem
– für alle Fälle - werden wir eingewiesen: sollte unterwegs mal was
passieren: raus und weg und ab in den Wald und 2 Tage warten. Dann
wieder auftauchen, einen total verwirrt/verwilderten Eindruck machen und
sprachlos von garnix mehr wissen! Zum Glück kommen wir nie in
eine solche Situation...
Etwas
außerhalb des Ortes finden wir ein wunderschönes abgelegenes Plätzchen – nur für
uns allein - auf einem Felsen über einem Tal (unsere Loreley), oder besser
noch: unser Laurel Canyon: hier den "Laurel Canyon Blues" von John Mayall
zu hören, ist doppelter Genuss - mit Dope nochmal potenziert. Hier
sitzen wir
stundenlang, den Wald- und Bachgeräuschen lauschend, Rehe und Füchse
beobachtend, dem Falken folgend, in den Dunst hinein träumend: wir suchen
den Schlüssel, die blaue Blume in uns. Nicht nur zuschauen, sondern eins
werden mit der Natur - die Seele fliegen lassen. Nicht Besucher, sondern
Teil des Ganzen werden. In den Bergen der Schweiz - oberhalb der Baumgrenzen in
den Steinhütten der Berglütlis - da waren wir schon nahe dran, jetzt
aber sind wir mittendrin. Hier Tolkien lesen ist Heimatgeschichte live. Hier hat der Schäfer seine Hütte, hier steht die alte Mühle,
hier ist die wilde Müllkippe (aber schön versteckt), und hier entsteht
die Idee zu einer Märchenplatte – wo sonst kann man so etwas planen und
realisieren. Endlich wieder (Ausnahme war das 1. Programm von Nonnen,
Toten und Vampiren) entstehen Texte
ohne Zeitdruck, haben wir fruchtbare zeitlose tiefschürfende Gespräche
und intensive Sessions – die Freude am Leben wird wieder Teil unserer Tagesordnung. Nichts stört uns in unserer Konzentration - und die
Freunde, die uns besuchen in unserer Idylle,turnen uns an – erzählen von ihren Reisen und ihren
Erlebnissen, bringen neue Geschichten mit - geben uns Anstöße. Wir geben
und nehmen, werden befruchtet: die Saat geht in uns auf - und wir in ihr.
Voll zugedröhnt gehen wir
"auf der Reise" mit dem "Rat der Motten",
den "Jahreszeiten" und etwas Genuschel...
ür
die Vorbereitung unseres neuen Programms brauchen wir nicht mehr in
irgendeine Musik-Akademie mit Jugendherbergscharakter in die Klausur zu fliehen – wir können
immer und jederzeit in unserem Haus die Verstärker aufdrehen, können
schreien und singen, mixen und probieren (wenn wir es denn wollen): nur die Kühe hören zu –
gut, manchmal ist die Milch anschließend sauer - nicht mehr, nicht weniger!
Unsere Musik wird märchenhafter - naturverbunden
und wieder akustischer.
Dass wir dieses Programm „unserem“ Bauern widmen, ist klar,
schließlich gehören wir ja quasi zur Familie und er damit zu uns. Und auch
ein Werk auf der gleichnamigen CD widmen wir ihm: hinter den weißen
Bergen (Hunsrück), nah bei der kleinen Stadt (Simmern), da steht das
Haus, wo Bauer Plath sich niedergelassen hat....
Andere
Texte erzählen von unserer Suche nach der „blauen Blume“, nach dem
„Schlüssel“, der diese andere, diese „neue Wirklichkeit“ öffnet,
die wir – ausgelöst durch diesen unseren Aus- und Umzug – erschlossen
haben, die für uns zugänglich geworden ist, die wir vor uns sehen - in uns spüren.
Der „Rat der Motten“ ist die phantasievolle Geschichte dieser
"Suche": Die Motten suchen das magische Licht, sie sehen es, sie stürzen
sich hinein - sie verglühen in der
Kerzenflamme. Damit ist für sie das Geheimnis gelüftet: aber zu welchem Preis!
Glühen
wollten wir auch, aber verglühen nicht. Davon erzählen und singen müssen
wir – das ist klar. Aber auch nicht verschweigen, das diese „Idylle“
mit Fallen ausgelegt ist. Wir weisen auf die Gefahr hin, sich blenden zu
lassen und den Boden unter den Füssen zu verlieren - auszuflippen. Eine
solche "Warnung" finden wir auch in einem alten indischen
Märchen und komponieren die "Schlüsselblume", die
Geschichte eines Mannes, der diesen Schlüssel findet, mit dem er das Tor
zwar öffnen kann, sich dann aber selbst verliert - und damit auch den Schlüssel - und
hinterher "innerlich leer" vor einem verschlossen Mysterium
steht und den Weg zurück nicht mehr findet. Wir wollen uns auf dem
Throne stehen sehen – aber lebendig: „...und ich erkenne mich und ich
erkennen meinen Sinn: ich komm, ich geh, ich war und ich bin“. Wer sich selbst gesucht hat, wird wissen, wovon wir da singen und
was wir mit unseren Texten - auch als Lebenshilfe - weitergeben wollen.
Für die einen wird es schöne Musik mit schönen Texten sein, für
die "Wissenden" eine Botschaft Gleichgesinnter.
er
Bogen, den wir auf dieser Produktion schlagen, beginnt bei Novalis ("wenn
nicht Zahlen und Figuren sind die Schlüssel aller Kreaturen... wenn alle,
die gern singen oder küssen mehr als die Tiefgelehrten wissen... "),
geht über die Hymne an unseren Bauern und Freund Werner Plath und endet
in einem musikalisch monströsen 10-Minuten-Märchen. Dieses zentrale
Werk, quasi unser „Vermächtnis“, das wir in dieser knorrigen Schönheit
unseres Hunsrück- Dörfchens erschaffen, ist die "Geschichte vom Königssohn".
Hier verarbeiten wir Frodos Erlebnisse aus Tolkiens Herr der Ringe -
unserer damaligen Bibel. Und der Schluss dieses Märchens mit seiner fast
eschersch zu nennenden Unendlichkeitsformel, die sich selbst auflöst und wieder von
vorne anfängt, ist vielleicht schon Hinweis auf ein bevorstehendes Ende
von W&W?.
Im
Juni 1972 gehen wir ins Studio Dierks und beginnen die Aufnahmen. Mit
dabei sind als musikalische Unterstützer die „Wallensteiner“ Jürgen Dollase
an den Tasten und Jerry
Berkers am Bass. Wir haben aus unseren nachhaltig-negativen "Jesuspilz"-Erfahrungen mit
einem eigenwilligen Studioschlagzeuger gelernt und sind sehr froh, dass
bei dieser Produktion abwechselnd mit Harald Großkopf (Foto links,
Wallenstein) und Tommy Engel (später Bläck
Föös) zwei ausgewiesene Rhytmus-Experten am
Schlagzeug sitzen - und im Aufnahmeraum das bewährte Triumvirat Kaiser/Dierks/Lettmann.
Wir
basteln gemeinsam an neuen sounds - jeder darf seine Vorschläge machen und bringt
seine Ideen ein, die dann - falls abgesegnet - auch direkt in die
Musik eingearbeitet werden: wann gab es jemals mit Geigenbogen gestrichene
Gitarren oder einen akustischen Unterwassersoog wie bei dem Königssohn-Märchen,
Psalter- und Harmoniumklänge und so einen sensationellen "Wumm" wie bei
„Bauer Plath“, den 10 Musiker mit ihren Füßen auf eine Holzbühne
stampfen? Wo hört man einen solchen Männerchor wie in "Vison
1", in der wir auch das Mellotron einsetzen und ein Banjo den Rhythmus
vorgibt? Wo das Tor in der "Schlüsselblume" so zufällt,
dass die Gläser im Schrank klappern. Es sind so viele tolle Ideen, die
wir in dieser Produktion verwirklichen, die kann und will ich hier nicht alle aufzählen - die sind
in der Musik hör- und erlebbar.
Wieder baut Dieter Dierks mit seinen „goldenen Fingern“
einen wunderbaren Soundteppich aus den unzähligen Tonspuren und
mischt aus all dem sechs von vorn bis hinten gelungene wunderbare Lieder: eine märchenhafte folkrockige Produktion, auf die wir alle sehr
stolz sind.
Wo wir nun gerade schon mal da und alle gut drauf sind, spielen wir auch gleich noch
schnell eine B-Seite für die Bauer Plath- Single ein, zu der Bill Baron (rechts), der Gitarrist von Wallenstein,
diesem „Lied der
Liebe“ einen Gitarrensound verpasst, bei dem ihm selbst beim Spielen die Ohren vom
Kopfe fallen (er verlässt die gekachelte Kabine, in der sein
Gitarren-Verstärker voll aufgedreht steht - und spielt sein Solo draußen):
und selbst dort ist es noch tierischlaut –
auf der Single klingt´s dann affengeil und geht voll ab – und wie:
aber Hallöchen, das kann man nicht beschreiben, das muss man hören...